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01.06.2023


Warum ausgerechnet Agenturen und Kommunikationsberatungen beim Eigenmarketing häufig Eigentore schießen

Warum ausgerechnet Agenturen und Kommunikationsberatungen beim Eigenmarketing häufig Eigentore schießen

In Gesprächen mit Inhaberinnen und Inhabern von Agenturen und Kommunikationsberatungen über deren Eigenmarketing hören wir als Argument oft: „Unsere direkten Mitbewerber machen es auch so ähnlich“. Zum Beispiel die eigene Agentur-Website: In den meisten Fällen stehen offenbar nicht die Informationsbedürfnisse der Kunden im Mittelpunkt, sondern die mehr oder minder nach subjektivem Geschmack inszenierte Selbstdarstellung. Entsprechend selbstreferenziell bis selbstverliebt ist der Agenturauftritt, im schlimmeren Fall belanglos bis irrelevant, im allerschlimmsten Fall wird krass an den potenziellen Kunden vorbei kommuniziert. Aber wie können Agenturen ihr Agenturmarketing verbessern und damit messbare Geschäftserfolge erzielen?



So formulieren unsere Kunden ihre Fragen an uns:


  • Wie können wir unser Agenturmarketing – mit Blick auf die Leadgenerierung und die Gewinnung von Neukunden – konkret verbessern?
  • Was müssen wir intern tun und verändern, damit unser Eigenmarketing nach außen noch wirkungsvoller wird?
  • Wie können wir unsere Website (und unsere Unternehmenspräsentation, unser Pitch-Deck, unsere anderen Kanäle und Kommunikationsmittel) so optimieren, damit daraus ein wirklich relevantes und effektives Vertriebsinstrument wird?
  • Wie können wir unsere Kunden vernünftig segmentieren und typologisieren, damit wir in unserer Kundenansprache noch überzeugender, noch schlagkräftiger werden?
  • Welches sind genau unsere Zielgruppen neben Kunden und Neukunden? Warum sind sie überhaupt für uns relevant? Wie können wir sie adressieren?
  • Wozu sollen wir als Agentur öffentlich „Haltung zeigen“? Wofür brauchen wir das?



Jede Agentur verpflichtet sich gegenüber ihren Kunden mit dem Leistungsversprechen, deren Kommunikation oder Erscheinungsbild durch individuelle, zielorientierte Strategien und Maßnahmen zu verbessern. Das gilt gleichermaßen für Werbe-, Design-, PR-, Marketing-, Media-, Event- und alle anderen Agenturen.


Unabhängig davon welche fachliche Spezialisierung oder welchen Branchenfokus eine Agentur hat: Das Thema Kommunikation ist immer nah am Kerngeschäft. Umso mehr muss es erstaunen, wie stiefmütterlich die eigene Außendarstellung von vielen Agenturen angegangen wird.



Agenturmarketing ist kein Catwalk, sondern ein Dauerlauf



Wirklich institutionell verankert ist das Agenturmarketing – wenn überhaupt – eher bei größeren und großen Agenturen. Dort gibt es manchmal einen Marketing Manager oder Communications Manager, der in der Regel auf mittlerer Führungsebene arbeitet. Doch Entscheider bleibt in Wirklichkeit das Management, entsprechend lang und lahm sind die Entscheidungswege.


Das gilt erst Recht für kleinere Agenturen, bei denen das Eigenmarketing „Chefsache“ ist und im Agenturalltag als Teil des Sales und der Vertriebsprozesse (New Business, Business Development) mitläuft. Natürlich nur sofern die Agenturchefin, der Agenturchef hierfür Zeit aufbringen kann.


Bei Agenturen jeder Größe häufig auftauchendes Problem: Die eigene Außendarstellung wird als ein Nice-to-have gesehen und eher „kosmetisch“ behandelt. Nur bei ganz wenigen Agenturen ist Agenturmarketing strukturell in der Organisation verankert und wird manageable geplant, gesteuert und überwacht. Bei den meisten bleibt das Agenturmarketing eher passiv oder ist rein selbstreferenziell oder orientiert sich am subjektiven Geschmack (meist des Agenturchefs).


Ein unauflösbarer Widerspruch in sich: Gerade für die Kundengewinnung und das Neugeschäft birgt effektives Agenturmarketing enorme Chancen – doch wegen der allzu starken operativen Fokussierung auf klassische Vertriebsaktivitäten („Push“) lassen die meisten Agenturen diese Chancen („Pull“) links liegen. „Im hektischen Agenturalltag bleibt für das Eigenmarketing nun einmal nicht viel Zeit“, so das typische Lamento, „obwohl wir wissen, dass wir da viel mehr machen könnten und müssten!“



Eigenlob stinkt – Eigenmarketing nicht



Beinahe jede Agentur zeigt auf der eigenen Website in der einen oder anderen Form Arbeitsbeispiele, Referenzen und Cases. Einmal an ihren Platz gestellt, werden Kundenlogos und Fallbeispiele – ähnlich wie Trophäen in einem Vitrinenschrank – für eine sehr lange Zeit gelagert und unbeachtet gelassen, bis sie vielleicht eines Tages Staub angesetzt haben und ausgemustert werden (müssen). Aber muss das wirklich so sein?


Grundsätzlich gefragt: Welchen konkreten Nutzwert bezieht ein potenzieller Kunde, wenn er ein Logo auf der Agenturseite sieht? Wie reagiert er auf welche Logos? Was bringt die „Referenzen-Tapete“ wirklich? Es gibt prinzipiell drei Möglichkeiten:


  (1) Das Logo eines „großen Namens“ schreckt den potenziellen Kunden möglicherweise eher ab, weil er entsprechend hohe Kosten befürchtet und sein eigenes Unternehmen realistischerweise auf einem niedrigeren Marktlevel verortet.


  (2) Das Logo ist dem potenziellen Kunden nicht bekannt und deshalb regen sich Zweifel, ob die Agentur überhaupt der richtige Partner für den Auftrag ist.


  (3) Es handelt sich um das Logo eines direkten Mitbewerbers – aber heißt das dann wirklich, die Agentur hätte dadurch bessere Karten? Oder ist der Kunde vielleicht eher zögerlich, einen Dienstleister, der mit dem direkten Konkurrenten zusammenarbeitet, mit wichtigen, wahrscheinlich sogar erfolgsrelevanten Projekten zu betrauen?



Eigenmarketing erfordert Planung und klare Ziele



Zweite grundsätzliche Frage: Warum wird potenziellen Neukunden beim Besuch der Agenturwebsite zugemutet, sich durch einzelne, womöglich wahllos zusammengestellte Showcases durchklicken zu müssen, die obendrein in den seltensten Fällen in guter Auflösung und gut lesbar präsentiert werden, zumal in der mobilen Ansicht?


Wichtiges Zwischenfazit an dieser Stelle: Es ist nicht grundsätzlich falsch, auf der Agenturwebsite Kundenlogos und Cases zu präsentieren. Nur setzen die Wahl der Referenzlogos als auch die neukundengerechte Aufbereitung der Cases weit mehr an Marktverständnis und analytischem Feingespür voraus, als in der Praxis verbreitet. „Für die laufende Betreuung unserer eigenen Website haben wir nun einmal inhouse nicht genug Ressourcen und nicht genügend Zeit!“, lautet der entsprechende, agenturseitige Einwand.



Die Agenturwebsite ist ein Touchpoint zur Neukundengewinnung!



Jedoch: Die Website ist und bleibt für Agenturen einer der wichtigsten Kanäle für das Neugeschäft und für die Leadgenerierung. Daher erarbeiten wir mit unseren Kunden oft Konzepte für die Verbesserung und Neugestaltung ihrer Internetauftritte. Das konkrete Ziel: Aus der Agenturwebsite ein wirksames Instrument zur Neukundengewinnung, also zu einem echt vertriebsorientierten Touchpoint zu machen. Selbstverständlich suchmaschinenoptimiert und mithilfe von redaktioneller SEO betextet.


„Unsere Website machen wir doch am besten selber! Schließlich sind wir eine Agentur für XY (Werbung, Design, PR, Content, Marke, Branding, Kommunikation, etc.)!“, hören wir fast immer von Agenturchefinnen und -chefs, wenn es um einen Relaunch bzw. Refresh der eigenen Außendarstellung geht. Subjektiv und im handwerklichen Sinne mag diese Rechnung aufgehen. Doch genügt das? Warum schaffen es Agenturen so selten, die neue Website „mit den Augen der Zielgruppen“ zu sehen und aus der Kundenperspektive zu konzeptionieren? Warum sind die meisten aktuellen Agentur-Websites „inside-out“ und nicht „outside-in“ gedacht und entwickelt worden?



Coole und kundenorientierte versus nur coole Webseite



Und noch eine grundsätzliche Frage: Welchem Zweck, das heißt welchen geschäftsrelevanten Zielen soll die Website eigentlich dienen? Die schulbuchmäßige Antwort hierauf lautet: Zur Befriedigung der Informationsbedürfnisse aller Anspruchsgruppen und zur Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme. Aber wer genau sind die Anspruchsgruppen der Agentur? Und welches sind ihre Informationsbedürfnisse? Und wie kann erreicht werden, dass „inbound“ über die Agenturwebsite mehr qualifizierte Anfragen von Neukunden (=Leads) generiert werden können?


„Unsere Website spiegelt unsere Identität als Agentur wider“, so das allzu typische Credo von Agenturinhabern, die sich selbstverständlich sehr intensive Gedanken über das Selbstbild ihrer Agentur machen und dieses immer wieder hinterfragen („cool“, „smart“, „urban“, „zeitgemäß“, etc.). An dieser Stelle soll es jedoch nicht um die (überaus spannende) Frage gehen, wie die Identität einer Agentur bestimmt und wirkungsvoll gespiegelt werden kann (d.h. wie die Agenturmarke weiterentwickelt werden kann), sondern: Warum sollte sich der potenzielle Kunde überhaupt dafür interessieren? Doch nur dann, wenn eine echte – das heißt in allen Agenturleistungen und im gesamten Außenauftritt manifestierte – Kundenorientierung schon in der Identität der Agentur reflektiert wird. Aber wird das auf der eigenen Agenturwebsite wirklich sichtbar und glaubwürdig kommuniziert?


Ein typischer Einwand von Agenturchefinnen/-chefs aus unserer Beratungserfahrung: Ein unkonventioneller, visuell cooler und auf Content-Ebene insbesondere die jüngere Generation ansprechender Außenauftritt, flankiert mit entsprechenden Social Media-Aktivitäten, kann für das Employer Branding ein wirkungsvoller Booster sein. Gerade in Zeiten des „War for talents“, in denen für Young Professionals das Arbeiten in einer Agentur immer weniger attraktiv und es für Agenturen immer schwieriger wird, gute Mitarbeiter zu finden, mag das keine unwichtige Rolle spielen.


Doch es gilt hierbei zu bedenken: Nicht allein der „Hipnessfaktor“ ist für junge Bewerber bei der Arbeitsplatzwahl entscheidend, sondern vielmehr auch „harte Faktoren“ wie Gehalt, Urlaubstage, Ausstattung, etc. Aus unserer Sicht gibt es in einer gut laufenden Agentur keinen Widerspruch zwischen attraktiver Arbeitgebermarke und Kundenorientierung (denn das wäre wiederum ein Widerspruch in sich).



Anspruchsgruppen – und wenn ja wie viele?



Wir haben im Zusammenhang mit dem Agenturmarketing bis hierher hauptsächlich über die Vernachlässigung der Website als Vertriebsinstrument gesprochen. Doch prinzipiell findet sich der Mangel an Kundenverständnis und Kundenorientierung auch in anderen Kommunikationsmitteln der Agentur wieder. Etwa in den typischerweise standardmäßig an alle Kunden verschickten Agenturpräsentationen (aka Pitch-Deck).


Dass nicht für jeden Pitch oder jede Kundenanfrage eine völlig neue Präsentation vorbereitet werden kann, steht außer Frage. Aber nicht alle Kunden sind eben gleich, je komplexer die Agenturdienstleistungen umso individueller gestalten sich die Kundenwünsche. Trotzdem kann mit einer Kundensegmentierung und -typologisierung, also der Clusterung von typischen Kundenprofilen, auch bei erklärungsbedürftigen Services eine gewisse Vereinheitlichung – und damit einhergehend: eine Rationalisierung und Skalierung – bewerkstelligt werden.


Last but not least: Neben Kunden, Mitarbeitern und Bewerbern hat eine Agentur auch weitere Anspruchsgruppen, zum Beispiel Journalisten von relevanten Fachzeitschriften oder Zielmedien. Diese können wichtige Multiplikatoren sein und durch ihre positive Medienberichterstattung als Image-Hebel fungieren, ebenso wie Influencer, Content Creators und Blogger.


Für die Agentur schafft diese „Earned Media“ zusätzlich gute Sichtbarkeit und Reichweite, noch dazu kostenlos. Doch wie oft geschieht es, dass Medienvertreter unaufgefordert den Kontakt zur Agentur suchen? Und warum wird diese Zielgruppe im Agenturmarketing bisweilen völlig vernachlässigt?



Jede Agentur hat etwas zu sagen



Nein, es soll an dieser Stelle nicht um das mittlerweile fast schon zu Tode gerittene Pferd namens Purpose gehen. Indes darf nicht vergessen werden, dass Agenturen auch Teil der Öffentlichkeit und als solcher der Öffentlichkeit verpflichtet sind. Das kann auf lokaler oder kommunaler Ebene der Fall sein, wenn es etwa um den eigenen Stadtteil, die Nachbarschaft oder den „Kiez“ geht.


Positives Engagement verdient immer Aufmerksamkeit: „Tue Gutes und rede darüber“ ist ein Ansatz, der auch im Agenturmarketing Berücksichtigung verdient. Ob für wohltätige Zwecke, für das Klima und die Umwelt, oder für andere gemeinwohlfördernde Aktivitäten ist letzten Endes eine individuelle Frage. Deren Antwort sollte aber selbstredend immer im Einklang mit der Agenturidentität stehen (buzzwordig gesprochen also „authentisch“ sein).


Noch einmal zurück zum Stichwort „War for talents“: Gerade junge Bewerber haben ein feines Sensorium für Engagement und für Sinnstiftung in ihren verschiedenen Nuancen. Identifikation mit dem Arbeitgeber ist ein zentrales Motiv, welches aber allgemeinhin unterschätzt wird. Für das Agenturmarketing kommt es darauf an, Wertvorstellungen und Haltungen aufzugreifen und glaubwürdig und authentisch in die Agenturrealität einzubinden. So kann „Haltung zeigen“ ein entscheidender Baustein für die (nahe) Zukunft der Agentur sein.