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24.06.2025


Reality Check Künstliche Intelligenz: Todesengel oder Heilsbringer für Beratungen und Agenturen?

Reality Check Künstliche Intelligenz: Todesengel oder Heilsbringer für Beratungen und Agenturen?

Geht das auch mit KI? Nahezu jede Beratung und Agentur bekommt diese Frage von ihren Kunden gestellt. Die Bedeutung von KI für Beratungs- und Agenturleistungen nimmt sprunghaft zu und ohne Zweifel wird der Anteil von KI an der Arbeit von Beratungen und Agenturen weiterhin an Gewicht gewinnen. Wenn aber von den „Chancen“ oder „Potenzialen“ durch KI gesprochen wird, hört man oft den dafür mühevoll antrainierten Zwangsoptimismus heraus. Zwar nutzt jede Beratung und Agentur das eine oder andere KI-Tool aktiv im Kundengeschäft, doch bei selber entwickelten, proprietären KI-Produkten bewegt sich der Reifegrad zumeist noch auf „Fake-it-till-you-make-it“-Niveau. Woran liegt das, und wie verändert KI das Consulting- und Agenturgeschäft wirklich?

 

So formulieren unsere Kunden ihre Fragen an uns:

 

  • Operativ: Mit welchen Tools können wir unser Kerngeschäft, unsere Services und Deliverables verbessern und zugleich effizienter im Fulfillment, in der Execution werden?

  • Strategisch: Welche Auswirkungen wird KI mittelfristig auf unser Kerngeschäft, auf unsere Wertschöpfung und auf unser Pricing haben?

  • Wie verändert die KI-Nutzung uns intern? Wie müssen wir uns (kulturell, strukturell, organisational) verändern?

  • Noch geht es bei der KI-Nutzung primär um Effizienzsteigerung, aber welche Möglichkeiten gibt es für uns, durch KI neue strategische Geschäftsfelder und neue Produkte und Services zu entwickeln?

  • KI entwickelt sich rasend schnell – woher können wir wissen, dass die Art und Weise, wie wir KI heute strategisch und operativ einsetzen, in 6 Monaten noch relevant sein wird?

  • Wie können wir durch KI – oder trotz KI! – fit für die Zukunft werden?

 

 

Gibt es zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) etwas, das noch nicht gesagt worden ist? Lässt man die mit den üblichen Buzzwords gespickten Glaskugel-Prophezeiungen beiseite, bleibt eine grundsätzliche Frage, die bis heute weder von Beratungen und Agenturen, noch von KI selber beantwortet werden kann: Wie wird KI die Wertschöpfung und mithin den Wert von Beratungs- und Agenturleistungen verändern? Die intuitive, standardmäßige Antwort und Horrorvision lautet: Preise werden sinken, Kunden werden vieles selbst machen, dadurch werden viele Beratungen und Agenturen vom Markt verschwinden. 

 

Beratungen und Agenturen müssen nicht nur KI-Skills haben, sondern KI-Metakompetenz

 

Aber stimmt das wirklich? Woher wissen wir, dass die Zukunft ein solches Schreckensszenario für Beratungen und Agenturen bereithält? Gibt es nicht vielleicht auch andere, kontraintuitive Projektionen für die Zukunft? Ein simples, aber starkes Argument für Letzteres lautet: Die Entwicklung von KI verläuft in einem dermaßen rasanten Tempo, dass innerhalb weniger Monate – nicht Jahre – technologische Quantensprünge gelingen. Doch genau das sorgt berechtigterweise für Unbehagen: Wie kann man planen, wenn Unsicherheit und Komplexität durch KI prinzipiell nicht beherrschbar sind? 

 

Zwischenfazit: Die von den großen KI-Konzernen und spezialisierten Tech-Unternehmen vorangetriebene technologische Entwicklung rund um KI ist und bleibt bis auf Weiteres so schnell und so disruptiv, dass Beratungen und Agenturen de facto zu keinem Zeitpunkt mit ihr Schritt halten können. Es geht also darum zu verstehen, wie man möglichst schnell auf diese Entwicklungen reagieren und das eigene Beratungs- und Agenturgeschäft entsprechend ausrichten kann. So wird „KI-Metakompetenz“ zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

 

Das heißt: Beratungen und Agenturen müssen nicht nur über die viel beschworenen KI-Skills verfügen, nicht nur „KI-Tools bedienen“ können, sondern eine echte strategische Metakompetenz in Sachen KI entwickeln. Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um eigene, markttaugliche KI-Produkte zu entwickeln – also KI-basierte Services, deren Lebenszyklus sich über mehr als nur einige wenige Monate erstreckt.

  

Der Tag, an dem nichts mehr ohne KI geht – und was dann?

 

Zwar können wir derzeit die technologischen Entwicklungsschritte von KI buchstäblich im Wochentakt mitverfolgen, und die revolutionären Verbesserungen erleben wir Schlag auf Schlag. Trotzdem soll das nicht heißen, dass die Folgen des allgemeinen Siegeszugs von KI nicht abschätzbar wären – im Gegenteil. Nur ein Gedankenspiel: Lassen Sie uns die Entwicklung „vom Ende her“ denken. Was passiert, wenn alle und jeder KI nutzt, wenn KI in allen Bereichen des Arbeitslebens und der Wertschöpfung eine unverzichtbare Rolle übernommen hat? Ja, wenn KI so gut geworden und verbreitet ist, dass wir Künstliche Intelligenz gar nicht mehr als solche in unserem Berufsalltag wahrnehmen?

 

Die Antwort: Es wird das geschehen, was in der Geschichte der Menschheit bei technischen Umwälzungen immer geschehen ist. Als erste Folge werden KI-Leistungen, KI-Content, kurz KI-Output jeglicher Art immer günstiger werden und schließlich keinen signifikanten monetären Wert mehr darstellen (siehe beispielsweise die Geschichte des Handys: vom begehrlichen Distinktionsobjekt mit Luxusartikel-Aura in den 1990ern bis zum Ein-Euro-Artikel für alle und jeden heute). Nach dem Preissturz folgt recht schnell die Übersättigung: Wenn KI quasi kostenlos verfügbar und aus unserem Leben, aus Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist, dann werden alle mit KI-Output Berieselten – wir alle! – nach Alternativen suchen, die eben nicht von generativer künstlicher Intelligenz kommen, sondern: von kreativer menschlicher Intelligenz.

 

Durch KI sinkt der Preis für Kreativität, aber deren Bedeutung steigt

 

Genau aus diesem Grund reden wir nicht von „KI-Produkten“ (denn die sind schon heute auch ohne Programmierkenntnisse herstellbar), sondern von „KI-basierten Produkten“. Der entscheidende – und im engeren Sinn wertschöpfende! – Faktor ist und bleibt der Mensch.

 

Mehr noch: Der menschliche Faktor wird an Bedeutung gewinnen und zu dem erfolgskritischen Differenzierungsmerkmal von Beratungen und Agenturen werden. Anders formuliert: Für Beratungs- und Agenturkunden wird die „Experience“ in der Zusammenarbeit immer wichtiger – nicht nur hinsichtlich der „Chemie“ oder des zwischenmenschlichen Fits, sondern, viel weiter und tiefer gehend, auch bezogen auf Leistungen, Prozesse und Ergebnisse.

 

In diesem Sinne ist KI nicht nur Tool, sondern eine echte infrastrukturelle Revolution. KI demokratisiert Kreativität und mindert zugleich ihren (ökonomischen) Wert. Das heißt jedoch nicht, dass Kreativität und Kreation an Bedeutung verlieren werden, vielmehr werden die Ansprüche höher und spezifischer.

 

Nicht schneller, besser, billiger, sondern grundlegend neu und anders machen!

 

Schon jetzt liegt die eigentliche Herausforderung nicht in der Bedienung der KI-Tools, sondern in der spezifischen, qualitativen Nutzbarmachung des KI-Outputs. Nur wenn Agenturen und Beratungen weiterhin auf die menschliche Gabe setzen, KI-generierte Lösungen kritisch zu hinterfragen, zu verbessern und nötigenfalls zu „vermenschlichen“, werden sie von ihren Kunden als unverzichtbare Experten wahrgenommen werden.

 

In vielen Agenturen und Beratungen wird die Nutzung von KI (zurzeit noch) auf die Gewinnung von Effizienzvorteilen verengt. Doch um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Agenturen und Beratungen zuerst ihr eigenes Geschäftsmodell auf dessen „KI-Tauglichkeit“ prüfen. Denn es geht nicht nur darum, KI in die eigenen Prozesse, in die Wertschöpfung zu integrieren – das machen schon jetzt alle –, vielmehr müssen Agenturen und Beratungen verstehen, wie sie KI für die Wertschöpfung ihrer Beratungs- und Agenturkunden nutzbar – und vor allem nutzenstiftend – machen können. Das kann jedoch nur mit dem richtigen Mindset gelingen, denn: Fortschritt heißt nicht, das Bestehende schneller, besser, billiger zu machen. Fortschritt heißt, etwas grundlegend Neues zu machen.

 

„2027: AI killed the Agency Star? 2029: AI killed the Consulting Star?“ Nicht, wenn Agenturen und Beratungen die selbstreferenzielle Nostalgie hinter sich lassen und stattdessen die eigene Geschichte neu schreiben. Mag sein, dass das für viele Agenturen und Beratungen einen radikalen Neuanfang bedeutet.