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13.02.2025


Systemische Organisationsberatung, quo vadis? Oder: Wie können Organisationsberatungen (wieder) markttauglich und zukunftsfähig werden?

Systemische Organisationsberatung, quo vadis? Oder: Wie können Organisationsberatungen (wieder) markttauglich und zukunftsfähig werden?
„Klassische“ Organisationsberatungen haben einen immer schwierigeren Stand im Consulting-Markt. Potenzielle Beratungskunden mit Change-Bedarf hinterfragen die Plausibilität von systemischen Beratungsansätzen kritischer und grundsätzlicher denn je. Die Fähigkeit, adäquate organisationale Lösungen zu entwickeln, wird immer öfter eher den breiter aufgestellten Management- und Strategieberatungen zugeschrieben. Diese Marktverschiebung ist für viele systemische Beratungsunternehmen zu einem existenzbedrohenden Problem geworden. Wie kann die schwindende Marktrelevanz von systemischen Beratungsleistungen aufgehalten oder sogar rückgängig gemacht werden? Warum gerät Organisationsberatung bei Beratungskunden immer stärker ins Hintertreffen und wie können Beratungshäuser sich dem entgegenstellen?


So formulieren unsere Kunden ihre Fragen an uns:

 

  • Warum ist systemische Organisationsberatung grundsätzlich nicht mehr so gefragt wie noch vor ein paar Jahren? Was hat sich verändert und warum?
  • Unsere Mitbewerber arbeiten fachlich und methodisch genauso gut wie wir, teilweise sogar besser. Wie können wir zu den „Nachgefragten“ aufschließen und unsere Marktposition ausbauen?
  • Konkret: Wie können wir uns differenzieren? Wie fallen wir auf? Wie dringen wir zu den Entscheidern auf Kundenseite durch? Wie können wir unsere Preise durchsetzen?
  • Wie erfüllen wir heute die Nutzenerwartungen unserer Kunden aus deren Sicht? Was sind die wesentlichen strategischen Kernfragen unserer Beratungskunden, die wir als Organisationsberatung beantworten müssen? Welche Pains können wir besser „lösen“ als etwa breit aufgestellte Management- und Strategieberatungen?
  • Wie sollen wir uns am Consulting-Markt positionieren, gerade im Hinblick auf die – aus Kundensicht – „Austauschbarkeit“ (Commoditisierung) von systemischen Beratungsdienstleistungen?
  • Was sind unsere Kernkompetenzen als systemisches Beratungshaus noch wert? Wie müssen wir sie verändern und weiterentwickeln? Welche Kompetenzen benötigen wir für die Zukunft?


Vorab sei klar und deutlich gesagt: Aus unserer Sicht ist gute systemische Organisationsberatung per se kein Auslaufmodell, im Gegenteil sehen wir für viele Beratungshäuser echte und greifbare Marktchancen, die sich aus den aktuellen Dynamiken am Beratungsmarkt für sie ergeben können. Gleichzeitig beobachten wir jedoch eine Verschiebung am Consulting-Markt: organisations- und kulturbezogene Beratungsaufträge, die eigentlich idealtypisch in das Leistungsportfolio von systemischen Organisationsberatungen passen würden, werden immer öfter und bevorzugt an eher breit aufgestellte Management- und Strategieberatungen vergeben. Die Gründe dafür sind vielschichtig und die kausalen Zusammenhänge teilweise kontraintuitiv; die Problemlösungen entsprechend nicht immer einfach und linear.

 

Organisationsberatung: Vom Erfolgs- zum Auslaufmodell?

 

Ohne Zweifel gibt es hervorragende und renommierte Organisationsberatungen, die erfolgreich im Consulting-Markt agieren, gute Umsatzrenditen einfahren und ein gesundes organisches Wachstum verzeichnen. Demgegenüber steht aber eine Vielzahl an klassischen Organisationsberatungen, die bis vor Kurzem auch diesem Kreis angehörten, in letzter Zeit jedoch im Wettbewerb um Beratungskunden ausgerechnet gegenüber Management- und Strategieberatungen mehr und mehr den Kürzeren ziehen. Von dieser Entwicklung – eingangs plakativ als „Marktverschiebung“ bezeichnet – sind vor allem Boutique-Beratungen und mittelgroße Beratungshäuser betroffen, weniger die größeren.

 

Management- und Strategieberatungen gelingt es immer besser, eigentlich „originär systemische“ Beratungskunden zu akquirieren. Das ist keineswegs ein Zufall: Management- und Strategieberatungen haben sich im Laufe der letzten Jahre bewusst in fachlichen Bereichen der Organisationsberatung positioniert, erforderliche Kompetenzen aufgebaut und entsprechende Beratungsprodukte entwickelt. Deshalb können sie gezielt ihre Bestandskunden, aber auch Neukunden, die ihren Bedarf nicht nur auf organisationale Fragestellungen einengen wollen, mit einem erweiterten Beratungsportfolio adressieren und organisationale Probleme aus einem weiter gefassten Blickwinkel angehen. Insbesondere beim deutschen Mittelstand, bei Hidden Champions und auch bei Konzernen kommt diese problemorientierte und weniger traditionalistische Herangehensweise gut an (dazu später mehr).

 

Wettbewerbsdruck bekommen die systemischen Organisationsberatungen indessen auch von ganz anderer Seite zu spüren, nämlich von Kleinstberatungen, Einzelberatern, Coaches und Trainern, die sich in den letzten Jahren in erheblichem Maße professionalisiert haben und als beratende „Schnellboote“ auch an großen Mittelständlern und „Konzern-Tankern“ erfolgreich andocken können. Denn: Ihre Expertise und Erfahrung, ihre oft als „unkompliziert“ und nahbar wahrgenommene Beratung, aber auch ihre günstigeren Tagessätze und Beraterhonorare finden immer mehr Anklang, übrigens nicht nur bei preissensiblen Kunden. Tatsache ist: Insbesondere in der Teamentwicklung und im Teamcoaching greifen sowohl mittelgroße als auch große Unternehmen immer häufiger auf Solo-Coaches und Trainer zurück.

 

Hausgemachte Probleme und marktseitige Herausforderungen

 

Fangen wir bei der Schauseite an. Oft genügt schon ein flüchtiger Blick auf die Websites von Organisationsberatungen, um die Symptome klar zu erkennen: hohe Selbstreferenzialität, geringe Kundenzentrierung, geringe Kundenrelevanz und im Ergebnis geringe Sogwirkung. Oft hören wir dann: „Aber wir hatten doch erst vor fünf Jahren einen teuren Relaunch!“ Ähnliche Erwiderungen kommen von Organisationsberatungen auch, wenn wir über deren nicht mehr zeitgemäße und wenig kundenorientierte Pitchdecks und Unternehmenspräsentationen sprechen: „Aber die macht doch ein Grafiker für uns!“ Ja, mag sein, aber gut und richtig machen – im Sinne der Kundenerwartungen! –, geht eben anders.

 

Gutes und richtiges Beratungsmarketing ist nicht nur eine kommunikative Aufgabe, wenngleich es von etlichen Beratungsunternehmen darauf reduziert wird. Vielmehr wirkt die Art und Weise der Kommunikation – und insgesamt die Selbstdarstellung der Organisationsberatung – immer auch auf die Beratungsansätze und -produkte zurück.

 

Organisationsberatung und Beratungskunde: Match oder nicht?

 

Warum wird Organisationsberatung von Beratungskunden grundsätzlich immer skeptischer gesehen? Warum nimmt das Vertrauen, dass die externe Beratung in der Lage ist, die Organisation strukturell und kulturell voranzubringen, immer mehr ab? Eine Antwort auf diese Frage wurde bereits gegeben: Den Strategie- und Managementberatungen gelingt es zunehmend besser, die Kundenrealität und die Kundenbedürfnisse zu verstehen und passgenaue organisationale Lösungen zu entwickeln.

 

Dagegen ein häufig beobachtbares Problem bei Organisationsberatungen: Sie sind fachlich zu breit aufgestellt und werden vom potenziellen Beratungskunden als „systemischer Bauch- und Gemischtwarenladen“ wahrgenommen. Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass viele Organisationsberater (im Gegensatz zu Strategie- und Managementberatern) keine „fertigen Lösungen“ im engeren Sinn bieten, sondern die Organisation dabei unterstützen, ihre eigenen Denkmuster zu reflektieren und neue Möglichkeiten zu entdecken.

 

In diesem Verständnis leistet die Organisationsberatung Hilfe zur Selbsthilfe und verortet das hierfür notwendige Wissen in der Organisation selbst. Im Mittelpunkt des Beratungsprozesses steht die richtige Beobachtung und Diagnose der Routinen und festen Denkmuster, aber eine echte „Lösung“ des Problems wird gewissermaßen philosophisch und methodisch ausgeschlossen. Das Meta-Problem für den Beratungskunden dabei: Wenn der Beratungsprozess irgendwann selbst zur Routine wird, besteht die Gefahr der ständigen Selbstbestätigung der Entscheidungsprämissen.

 

Sofortmaßnahme: organisationale Selbstdiagnose der Organisationsberatung!

 

Zugegeben: Das alles ist thematisch nicht neu und wird schon seit Langem in der Beratungsbranche behandelt und diskutiert. Aber: Im Zuge der voranschreitenden Commoditisierung gewinnt die Unterscheidbarkeit im Nutzenversprechen viel mehr an Kundenrelevanz und Überzeugungskraft. Und genau an dieser Stelle sollten kriselnde Organisationsberatungen ansetzen: Welchen Nutzen stiften sie für ihre Kunden und wie können sie dieses Leistungsversprechen überzeugend kommunizieren?

 

Nur denjenigen systemischen Beratungshäusern, denen es gelingt, die Nutzeneffekte ihrer Beratungsleistungen klar zu adressieren und glaubhaft in den Mittelpunkt zu stellen – und zwar in jeder Phase: vor, während und am Ende des Beratungsprojektes –, nur und wirklich nur denjenigen wird eine erfolgreiche Zukunft im Consulting-Markt beschieden sein. Alle anderen werden sich einstweilen als „Stuck-in-the-middle-Beratungen“ auf den Preiskampf mit den Anderen einlassen müssen oder viel Geld im „Kampf um die Kundenaufmerksamkeit“ verpulvern.

 

Fazit: Nichts fürchten Unternehmensberatungen so sehr wie den „internen Wasserkopf“ in der eigenen Organisation. Trotzdem – oder gerade aus diesem Grund – sollten Organisationsberatungen sich nicht weniger, sondern mehr mit sich selbst beschäftigen – solange noch genügend Handlungsspielräume und -optionen vorhanden sind.